Erfüllungsort bei Entwicklung und Lizensierung einer Individualsoftware
Die Frage, ob die Entwicklung und der Betrieb einer Software eine Dienstleistung darstellen, ist für die Frage des Erfüllungsortes und somit für den Gerichtsstand im Streitfall von großer Bedeutung. In der am 28.11.2024 veröffentlichten Entscheidung (C-526/23) hat sich der EuGH genau mit dieser Frage beschäftigt, nämlich wo sich der Erfüllungsort bei Softwareverträgen befindet.
Der Erfüllungsort bei Individualsoftware
Verträge über die Entwicklung und den laufenden Betrieb einer Individualsoftware fallen grundsätzlich unter den Dienstleistungsbegriff der EuGVVO. Der Erfüllungsort ist gemäß Art 7 Nr 1 lit b EUGVVO demnach der Ort, an dem die Dienstleistung laut Vertrag erbracht wird. Doch was bedeutet das konkret: Ist dies der Ort, an dem die Programmierung erfolgt oder der Ort, an dem die Software abgerufen und genutzt wird?
Der EuGH stellte fest, dass der Erfüllungsort eines Vertrages über die Entwicklung und den anschließenden Betrieb einer Software – bei Fehlen vertraglicher Bestimmungen – der Ort ist, an dem die Software den Besteller erreicht, also abgerufen und eingesetzt wird. Wenn die Software an verschiedenen Orten zum Einsatz gebracht wird, befindet sich der Erfüllungsort am Wohnsitz bzw. Sitz des Bestellers.
Die rechtliche Einordnung von Softwareverträgen
Die rechtliche Einordnung von Softwareverträgen spielt sohin für die Bestimmung des Erfüllungsorts eine wesentliche Rolle. Softwareverträge sind aber juristisch oft nicht eindeutig zu klassifizieren. Es gibt keinen einheitlichen „Softwarevertrag“. Die Einordnung richtet sich vielmehr nach dem Vertragszweck. Abhängig vom Servicecharakter können Softwareverträge als Dienst-, Miet-, Werk- oder Kaufverträge eingestuft werden. In der Praxis empfiehlt es sich, die konkreten Leistungspflichten möglichst exakt zu definieren.
Standard- vs. Individualsoftware
Es ist einerseits danach zu differenzieren, ob die Überlassung dauerhaft erfolgt oder nicht und andererseits ob eine Standard- oder Individualsoftware geschuldet ist. Während eine Individualsoftware speziell für die Anforderungen eines bestimmten Auftraggebers entwickelt wird, ist eine Standardsoftware auf die Bedürfnisse vieler Anwender ausgerichtet. Eine dauerhafte Überlassung einer Standardsoftware gegen ein einmaliges Entgelt ist laut OGH als Kaufvertrag zu beurteilen. Demgegenüber stellt der Erwerb einer Individualsoftware einen Werkvertrag dar.
Software-as-a-Service Verträge
Bei einem Software-as-a-Service Vertrag stellt der Anbieter sämtliche für die Ausführung notwendigen Softwareressourcen und Support zur Verfügung. Diese Verträge weisen oft gemischte Vertragscharakteristika auf, wobei oft ein mietvertraglicher Schwerpunkt vorliegt, zu dem uU auch dienstvertragliche Komponenten hinzutreten können. Solche Lizenzverträge qualifiziert der EuGH nicht als Dienstleistungsverträge, sondern ordnet sie Art 7 Abs 1 lit a EuGVVO zu (EuGH 23. 4. 2009, C-533/07). Hier ist der Erfüllungsort dort, wo die Software zur Verfügung gestellt wird.
Hinweis: Dieser Artikel ist lediglich eine generelle Information und keine Rechtsberatung der ATTYS 05 Rechtsanwälte GmbH; er kann und soll eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. ATTYS 05 Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Blogbeitrags.