KUNST UND MODE – EINE SYMBIOSE UNTER RECHTLICHER BETRACHTUNG

Die Verbindung zwischen Mode und Kunst ist tief verwurzelt und bringt sowohl ikonische Kollektionen als auch kritische, ästhetisch anspruchsvolle Kunstwerke hervor. Diese kreative Allianz thematisiert häufig gesellschaftlich relevante Aspekte wie Konsum versus Nachhaltigkeit, Migration und Identität sowie die Beziehung zwischen Ästhetik und Ethik.

Es ist daher keine Seltenheit, dass Modehäuser Künstler:innen beauftragen, etwa zur Gestaltung von Video- oder Rauminstallationen bei Modenschauen oder zur künstlerischen Umsetzung von Fotografie und Styling. Solche Kooperationen erfordern eine vertragliche Gestaltung auf Augenhöhe: Während die Modehäuser mit ihrer finanziellen Unterstützung neue Werke ermöglichen und von deren Nutzung profitieren möchten, liegt auch den Künstler:innen viel daran, ihre Werke verwerten und darauf aufbauend neue Projekte realisieren zu können.

  1. Mode als Kunstwerk?

Wo verläuft heute (aus rechtlicher Sicht) die Grenze zwischen Mode und Kunst? Und kann Mode als Werk der bildenden Kunst im Sinne von § 3 UrhG geschützt sein?

Das Urheberrechtsgesetz schützt unter anderem Werke der bildenden Kunst und gewährt deren Schöpfer:innen exklusive Rechte. Dabei definiert § 3 UrhG nicht konkret, was darunter zu verstehen ist, sondern zählt Fotografien, Architektur und angewandte Kunst ausdrücklich als schutzfähig auf. Damit stellt sich die Frage, ob Modedesigns unter die Kategorie „angewandte Kunst“ fallen können.

Ein schutzfähiges Werk muss das Ergebnis schöpferischer, geistiger Tätigkeit sein und objektiv als Kunstwerk wahrgenommen werden können. Dass ein Werk einen praktischen Nutzen hat, schließt seine urheberrechtliche Schutzfähigkeit nicht aus – der Werkbegriff ist zweckneutral.

So genießen etwa Möbel oder Kostüme durchaus Schutz als Werke der bildenden Kunst, was nahelegt, auch bestimmten Kleidungsstücken diesen Schutz zuzuerkennen. Juristisch ist dabei jedoch klar zwischen bloßer Kleidung und kunstvoller Mode zu unterscheiden. So hat der OGH beispielsweise einer Kollektion von Schi- und Wanderschuhen keinen Schutz gewährt, da diese „bei einer Gesamtbetrachtung objektiv nicht als Kunstwerke anzusehen“ waren (OGH 19.09-1995, 4 Ob 1060/95).

Es bleibt also bei einer Einzelfallbeurteilung. Eine solche nahm auch der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vor (EuGH 12.09.2019, C‑683/17): Die ästhetische Wirkung der Modelle von G-Star Raw sei das Ergebnis eines subjektiven Schönheitsempfindens des jeweiligen Betrachters. Daher läge kein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand vor, der urheberrechtlich geschützt sein kann.

Im Gegensatz dazu erkannte der spanische Oberste Gerichtshof in einem anderen Fall den Mustern der Marke Desigual urheberrechtlichen Schutz zu. Diese seien „künstlerische Werke“, und nachahmende Produkte daher „urheberrechtsverletzende Gegenstände“ (https://blogip.garrigues.com/en/intellectual-property/the-protection-of-fashion-and-applied-art-under-criminal-law-the-supreme-court-rules-on-the-desigual-case).

  1. Kollaborationen: Künstlerische Synergien und geteilte Urheberschaft

Kooperationen zwischen Kunst- und Modewelt betonen oft gemeinsame Werte und ästhetische Visionen. Sie führen nicht selten zu gemeinsamer Autorenschaft – also geteiltem Urheberrecht – an einem Werk.

Ein eindrucksvolles Beispiel ist die wiederholte Zusammenarbeit von Louis Vuitton mit Yayoi Kusama. Diese führte nicht nur zu neuen, populären Kollektionen, sondern auch zu einer ganz neuen kunsthistorischen Rezeption der japanischen Künstlerin, wie zahlreiche internationale Ausstellungen belegen.

Solche Partnerschaften basieren idealerweise auf fundierten Verträgen, die unter anderem Regelungen zu Exklusivität, Lizenzdauer, Qualitätssicherung, Auflage der Kollektionen und Rechten/Pflichten enthalten.

  1. Vertragspraxis in der Realität: Zwischen Ideal und Alltagswirklichkeit

Zwar betonen Theorie und Fachliteratur die Notwendigkeit ausgewogener Verträge bei Kooperationen zwischen Mode und Kunst, doch zeigt die Praxis häufig ein anderes Bild. Gerade wenn Künstler:innen weniger etabliert oder finanziell von einem Auftrag abhängig sind, befinden sie sich in einer strukturell schwächeren Verhandlungsposition. Oft werden Rahmenbedingungen erst spät geklärt oder bleiben unzureichend dokumentiert. Eine typische Folge: Unsicherheiten bei der Nutzung der Werke, etwa im Hinblick auf spätere Auswertungen, internationale Rechte oder digitale Nachnutzungen.

Gerade in diesen Fällen wäre ein solides Vertragswerk essenziell. Zwar gilt ein mündlicher Vertrag grundsätzlich genauso wie ein schriftlicher – nur beweisen kann man ihn meist nicht.

Die Empfehlung lautet daher: Schriftliche Vereinbarungen, klare Definition der Nutzung, und idealerweise juristische Beratung auf beiden Seiten – auch wenn die Realität dies nicht immer widerspiegelt.

  1. Erschöpfung: Grenzen der Verbreitung

Ein zentraler Punkt im Urheberrecht ist die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach § 16 Abs 3 UrhG. Danach endet das exklusive Verbreitungsrecht des Urhebers, sobald ein Werk mit seiner Zustimmung innerhalb der EU/EWR in Verkehr gebracht wurde. Das ermöglicht einen rechtssicheren Handel auf dem Sekundärmarkt.

Dabei gilt: Mit dem Inverkehrbringen erlischt nur das Verbreitungsrecht am einzelnen Werkstück, nicht jedoch das Vervielfältigungsrecht oder andere Verwertungsrechte.

Fehlt etwa eine Lizenz zur Nutzung von Kunstwerken auf Kleidungsstücken, so ist das Abbilden rechtswidrig. Der Künstler kann Unterlassung, Beseitigung, Lizenzentgelt und sogar Schadenersatz fordern.

So geschehen im Fall der Künstlerin Joan Mitchell: Louis Vuitton hat 2023 eine Werbekampagne ohne die Zustimmung der Künstlerin vor einem ihrer Werke fotografiert. Die Joan Mitchell Foundation forderte die Entfernung der Kampagne, Auskunft zur Verbreitung sowie eine öffentliche Entschuldigung (https://fashionandlaw.de/joan-mitchell-foundation-mahnt-louis-vuitton-ab).

Auch Museen und Galerien dienen zunehmend als Kulisse für Modekampagnen, was zusätzliche rechtliche Anforderungen mit sich bringt – inklusive Lizenzverträge mit Künstler:innen und Institutionen sowie Beachtung von Hausrecht und Hausordnung. Dabei sind u. a. Fotografierzeiten, technische Mittel und Sicherheitskosten klar zu regeln.

  1. Kulturelle Aneignung – ein rechtliches und ethisches Spannungsfeld

Ein zunehmend diskutierter Aspekt ist die kulturelle Aneignung durch Modedesigner:innen, wenn diese ohne Erlaubnis Designs indigener Kulturen verwenden. Mexiko hat darauf bereits gesetzgeberisch reagiert: Das neue Gesetz sieht vor, dass die indigene Gemeinschaft ihre Zustimmung zur Reproduktion ihrer Elemente/Muster außerhalb der Gemeinschaft geben muss. Die internationale Durchsetzbarkeit solcher Regelungen bleibt allerdings fraglich. Besonders hervorzuheben ist jedoch das Konzept des „kollektiven geistigen Eigentums“, das in Europa bislang unbekannt ist.

Ungeachtet gesetzlicher Regelungen ist ein respektvoller Umgang mit kulturellen Elementen stets der angemessene Weg: Die Einbeziehung indigener Gemeinschaften durch die ausdrückliche Einholung ihrer Zustimmung ist für Modedesigner immer der beste und respektvollste Weg.

  1. Plagiat oder Inspiration? Die diffizile Abgrenzung

Ein weiterer rechtlich wie ethisch bedeutender Bereich ist die Unterscheidung zwischen legitimer künstlerischer Inspiration und plagiierender Aneignung. In der Modebranche, die stark von Trends und Zitaten lebt, ist diese Grenze besonders schwer zu ziehen.

Während das Urheberrecht nur konkrete Ausdrucksformen schützt und Ideen grundsätzlich frei sind, kann eine zu starke Annäherung an ein bestehendes Werk durchaus eine Verletzung darstellen. Dabei ist stets entscheidend, ob ein „maßgeblicher Teil“ des Originals übernommen wurde und ob dies in einer Weise geschieht, die eine „eigene geistige Schöpfung“ verneint.

Juristisch sind solche Fälle oft heikel. Auch hier kommt der Einzelfallbeurteilung große Bedeutung zu. Für Künstler:innen ist es nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine emotionale Frage.