Startup Law Lab. Volume I: „Startup Insolvenz“

Die drei Rechtsanwaltskanzlei-Gründer Saskia Leopold, Christoph Ludvik und Martin Zikeli luden am 27.06.2024 in ihre frisch bezogenen Räumlichkeiten ein, um das heikle Thema rund um Startup Insolvenzen zu durchleuchten und zu diskutieren. 

Der Impuls

Insolvenzen sind in der Wirtschaft ein bislang stark stigmatisiertes Thema. Die Startup-Szene war in der jüngsten Vergangenheit häufig damit in Verbindung gebracht. Für die Gründer von ATTYS ein guter Grund, dieses spezielle Thema als Auftakt ihrer Event-Serie „Startup Law Lab“ auszuwählen. Gemeinsam mit dem Startup-Service der Wirtschaftskammer Österreich, vertreten durch den Leiter Kambis Kohansal-Vajagah, wurden zahlreiche Startup-Gründerinnen und -Gründer empfangen, um mit ihnen über das Thema der Insolvenz zu diskutieren und es zu hinterfragen.

Eröffnet wurde der Abend von Alexander Wellinger, dem CFO von goUrban, der von der Situation in der Zahlungsunfähigkeit berichtete und wie ein Sanierungsverfahren das Unternehmen retten konnte, von der drohenden insolvenzrechtlichen Verwertung, bis hin zum wieder funktionstüchtigen und profitablen Unternehmen. Durch ein Sanierungsverfahren und erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen, die auch die deutliche Verschlankung des Teams von goUrban beinhaltete konnte das Unternehmen jedoch wieder auf Kurs gebracht werden.

Nachfolgend ein umfassender Überblick unserer ATTYS Experten zu den wesentlichen Aspekten rund um das Thema „Insolvenz“:

Was ist die Insolvenz und wie startet ein Insolvenzverfahren?

Das Insolvenzverfahren beginnt auf Antrag. Häufig stellt diesen ein Gläubiger, wenn er glaubhaft machen kann, dass ein Unternehmen, der Schuldner, insolvent ist. Insolvent im Sinne der Insolvenzordnung bedeutet entweder Zahlungsunfähigkeit, also sämtliche fällige Schulden nicht mehr zahlen zu können oder die Überschuldung. Überschuldet ist ein Unternehmen, wenn die Passiva (nicht nur die fälligen Verbindlichkeiten inkl bspw Pensions- und Abfertigungszahlungen) die Aktiva zu Zerschlagungswerten abzüglich Eigenkapital übersteigen. Zur rechnerischen Überschuldung muss eine negative Fortbestehensprognose, zumindest bis zu einem Jahr mit konkreten Zahlen hinterlegt, hinzutreten. Liegt einer dieser beiden Tatbestände vor spricht man von materieller Insolvenz. 

An das Vorliegen der materiellen Insolvenz ist die Antragspflicht der Geschäftsführung des Schuldners geknüpft. Diese muss unverzüglich einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Darüber hinaus beginnt eine 60-tägige Frist zu laufen, in der man die Pflicht zur Antragstellung mit tauglichen Sanierungsversuchen noch hinauszögern kann. Spätestens hier wird der Gang zum Anwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer unumgänglich. 

Planung einer Sanierung

Um eine Sanierung so wie goUrban erreichen zu können muss ein Konzept aufgestellt werden, das rechtlich und wirtschaftlich umsetzbar ist. Dabei spielen die rechtlichen Aspekte eine zentrale Rolle: Ein umfassender Insolvenzantrag, unter Anschluss des Antrags auf einen Sanierungsplan oder ein Sanierungsverfahren, die Verhandlung mit Gläubigern sowie die Einhaltung aller rechtlichen Rahmenbedingungen sind entscheidend, damit eine Sanierung nicht wieder platzt. Ein Rechtsanwalt unterstützt bei der Erstellung eines rechtssicheren Sanierungsplans, der die bestmöglichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Restrukturierung schafft. Hier können Sie auch auf unsere Expertise setzen, um Ihr Unternehmen rechtlich fundiert in Krisenzeiten, aber vor allem auch schon bei einer drohenden Krise zu beraten.

Haftung für das Management?

Wenn die oben genannte Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags von der Geschäftsführung verletzt wird kann es zu eine persönlichen Haftung derselben kommen. Schäden die durch eine zu späte Antragstellung bei den Gläubigern entstehen, durch die Verschlechterung der Quote infolge späterer Verfahrenseröffnung oder das Verschweigen gegenüber neuen Vertragspartner. Daher Augen auf! Die Pflicht zur Stellung des Antrag beginnt ab objektiver (!) Erkennbarkeit der materiellen Insolvenz, bei der Geschäftsführung wird ein strenger Maßstab angelegt. Auch für Zahlungen, welche die Geschäftsführung nach dem Eintritt der materiellen Insolvenz tätigt, die nicht dem objektiven Maßstab des ordentlichen Geschäftsmannes entsprechen, kann die Geschäftsführung haftbar gemacht werden.

Auswirkungen auf die Gesellschafter

Auf die Gesellschafter einer GmbH hat die Insolvenz der Gesellschaft grundsätzlich, bis auf die zu leistende Einlage, keine Auswirkungen, sie haften eben nur beschränkt, was oft eines der Hauptmotive bei der Firmengründung darstellt. Eine Haftung der Gesellschafter besteht nur in äußersten Ausnahmefällen. Bei der OG haften die Gesellschafter unbeschränkt für Forderungen gegen die Gesellschaft, die Insolvenz der Gesellschaft hat daher oft die Insolvenz der Gesellschafter zur Folge.

IP-Rechte in der Insolvenz

IP-Rechte können in der Insolvenz, bzw bei drohender Insolvenz eine bedeutende Rolle spielen. IP-Rechte können vor und in der Insolvenz zur Deckung der Schulden verwendet werden, indem sie verkauft, lizenziert oder anderweitig verwertet werden. Insolvenzen bieten Gläubigern und Investoren die Möglichkeit, diese Vermögenswerte zu nutzen oder zu erwerben. Solche Rechte können in Verhandlungen mit Gläubigern eine starke Position bieten, diese sind oft bereit, Zugeständnisse zu machen oder Sanierungspläne zu akzeptieren, um Zugang zu wertvollen IP-Rechten zu erhalten, die zukünftige Einnahmen generieren könnten. Diese Möglichkeiten verdeutlichen wiederum, dass das Anmelden eines IP-Rechts und auch das Setup, wie man diese nutzen kann für ein Unternehmen überlebenswichtig sein kann. Um diese Vermögenswert vollständig nutzen zu können, ist ein ordentliches IP-Management unumgänglich. 

Arbeitsrechtliches in der Insolvenz

Für den AG wurden Möglichkeiten geschaffen Mitarbeiter in der Insolvenz zu vom Gesetz bestimmten Zeitpunkten abzubauen. So kann ein Dienstverhältnis, auch wenn es befristet oder mit deutlich längerer Kündigungsfrist geschlossen wurde, unter Einhaltung der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfrist beendet werden. Jedoch sind Mitarbeiter mit besonderem Kündigungsschutz, wie Betriebsräte oder begünstige Behinderte, davon ausgenommen und die Zustimmung vom Gericht muss dennoch eingeholt werden. Auch die Frist für die Anmeldung im AMS-Frühwarnsystem ist in der Insolvenz einzuhalten. 

Unsere Handlungsempfehlungen auf einen Blick: 

  • Es ist zu betonen, dass man die Insolvenz nicht als stigmatisierend sehen sollte, sondern als letzte Chance ein sinkendes Schiff vor dem Kentern zu bewahren, somit für alle Beteiligten ein besseres Ergebnis zu erzielen, als wenn die Verwertung bevorstünde und sein Unternehmen zu retten.
  • IP-Rechte spielen eine zentrale Rolle in der Insolvenz eines Startups. Sorgfältige Verwaltung, strategische Nutzung und rechtliche Absicherung können entscheidend dazu beitragen, den Wert des Startups zu maximieren und seine Überlebenschancen zu erhöhen.
  • Geschäftsführer aufgepasst: Besser frühzeitig den Antrag stellen, als später einer Haftung ausgesetzt zu sein. Entgegengesetzte Weisungen der Gesellschafter sind gesetzeswidrig und müssen nicht beachtet werden. Die Planung von Sanierungsversuchen und der mögliche Antrag auf ein Sanierungsverfahren innerhalb der 60-Tage-Frist sollten unbedingt mit einem Anwalt abgeklärt werden.